Nach den Spuren von Liebieg

Begründer der Dynastie der Textilgroßunternehmer war Johann Liebieg Senior (1802–1870), der aus dem ostböhmischen Braunau (Broumov) stammte und sich 1818 in Liberec (Reichenberg) niederließ. Mit Zähigkeit und Fleiß arbeitete er sich vom einfachen Tuchmacher, über einen Kleinhändler, zu einem der erfolgreichsten Industriellen der Donaumonarchie empor. Seine unternehmerischen Aktivitäten beschränkten sich dabei nicht allein auf die Textilherstellung und Reichenberg. INCITY App.

Auch die Erbauung der als Liebiegstadt (Nr. 13 ) bekannten Arbeitersiedlung hing mit der Reichenberger Fabrik Johann Liebieg & Co zusammen. An ihrer Erbauung beteiligten sich: der Begründer der Dynastie durch die Erbauung von Arbeiterhäusern sowie dessen Nachkommen – seine Tochter Marie Liebieg (1835–1914), durch die Initiierung des Baus einer Sozialeinrichtung für die Kinder von Arbeiterinnen sowie der Kirche St. Vinzenz von Paul, zum Teil auch dessen Sohn Johann Liebieg Junior (1836–1917), vor allem aber dessen Enkel Theodor Liebieg Junior (1872–1939). Für sich und seine Familie ließ er drei repräsentative Villen errichten – die Villa von Johann Liebieg Junior (Nr. 4 ), die Villa von Theodor Liebieg Junior (Nr. 11) und die Villa des Sohnes des Begründers und heute namentlich als Kunstsammler und Mäzen bekannten Heinrich Liebieg (1839–1904) (Nr. 8 ). Dieser ließ auch das heute als Liberecká výšina und früher als Liebiegwarte oder Hohenhabsburg (Nr. 7) bekannte Ausflugsrestaurant samt Aussichtsturm erbauen. Der Bruder des Begründers, Franz Liebieg Senior (1799–1878) schied 1831 wegen Krankheit aus dem Unternehmen aus. Nach seiner Gesundung gründete er dann ein eigenes Unternehmen in Vesec.

Mit seinem Namen ist der Bau einer Gruft (Nr. 2) auf dem ehemaligen städtischen Friedhof verbunden. Seine Nachkommen wiederum sind namentlich als freigebige Unterstützer des Baus des neuen Reichenberger Rathauses (Nr. 1) im Jahre 1893 bekannt. Sohn Ludwig Liebieg (1846–1909) kaufte im Jahre 1881 das Haus Nr. 20/V in der heutigen ‚Ulice 8. Března‘ , das Adolf Schmidt nach Plänen von Gustav Sachers anstelle der alten Post hatte errichten lassen. Im Hausgiebel prunkt bis heute das Familienwappen. Johann Liebieg Senior und auch Franz Liebieg Senior wurden ihrer Verdienste auf gewerblichem Gebiet wegen in den Adelsstand erhoben – dem erstgenannten wurde der Erbtitel Baron zuerkannt, der zweitgenannte wurde zum Ritter geschlagen. Die Liebiegs arbeiteten mit zahlreichen Reichenberger, aber auch ausländischen Architekten und Baumeistern zusammen. Die fruchtbarste Zusammenarbeit knüpften sie jedoch mit dem Nürnberger Architekten Jakob Schmeissner an, der zu Recht als ihr ‚Hofarchitekt‘ galt.

 

 

Talsperre Harcov (in der Rekonstruktion)

Der Stausee Harcov, auch Talsperre Harcov oder Talsperre Liberec genannt, liegt unweit vom Stadtzentrum im Tal des Baches Harcovský. Sie ist einerseits von Wald, andererseits von einem ruhigen Villenviertel umgeben.
Standort
Adresse:460 15 LiberecGPS:50°46'7.6''N; 15°04'12.0''E[Karte]
Kontakt
Web:www.pla.cz


Die Talsperre Liberec wird rekonstruiert. Bis etwa Mitte 2025 bleibt es ohne Wasser.


Der erste gemauerte Damm in Europa

Wussten Sie, dass ein Betondamm besser ist als ein Schüttdamm, "weil Mäuse und Ratten ihn nicht durchbohren können"? Und dass ein gewölbter Damm besser statt hält als ein gerader? Eben diese Ideen wurden von Europas bestem Staudammbauer, dem Aachener Geheimrat Prof. Otto Intze, in seinem Projekt erfolgreich verteidigt, das Liberec vor verheerenden Überschwemmungen in der Zukunft schützen sollte. Dank Prof. Intze ist die Harcov-Talsperre aus den Jahren 1902-1904 die erste gemauerte Talsperre in Europa, deren Festigkeit nebst Beton auch Liberecer Granit gewährleistete. 


Überschwemmungsschutz

Eines der Elemente, die Liberec in der Vergangenheit Sorgen gemacht haben, war das Hochwasser. Überschwemmungen waren keine Seltenheit, aber im Jahr 1897 wurde die Stadt von einem sehr starken Hochwasser betroffen. Messungen zufolge fiel damals die größte Niederschlagsmenge in Mitteleuropa (im Isergebirge wurden unglaubliche 345 mm gemessen), und obwohl die Überschwemmungen ganz Nordostböhmen betrafen, den schlimmsten Verlauf hatten sie im Raum Liberec. Im Einzugsgebiet der Neiße entstanden Schäden in Millionenhöhe, und allein auf tschechischer Seite kamen 120 Menschen ums Leben. In Folge dessen wurde der Bau von 6 Talsperren im Isergebirge beschlossen (es wurden nur 5 gebaut), die praktisch die ersten gemauerten Dämme in Europa waren.


Viele Staudämme im Isergebirge

Insgesamt wurden fünf der sechs geplanten Talsperren realisiert. Neben der Talsperre Liberec waren dies die Talsperren von Mšeno, Bedřichov, Fojtka und Mlýnice. Auslöser für ihre Errichtung waren die verheerenden Überschwemmungen des späten 19. Jahrhunderts, insbesondere die von 1897, die katastrophale Folgen für die Bewohner des Vorgebirges hatten. Die für den Bau erforderlichen Mittel wurden von lokalen Unternehmern, darunter die Familie Liebieg, aufgebracht. Auch das Unternehmen Johann Liebieg & Co. nutzte das Wasser der Liberecer Talsperre für ihren Betrieb und auch die Villa von Theodor Liebieg jun. wurde mit diesem Wasser versorgt.
Anlagen